Kroatien

Daruvar und Ambivalenzen – innen und aussen

Hatte eine sehr aufgewühlte Nacht, war um 2.03 wach und mir ging diese Evtl-Katastrophe durch den Kopf. Ich krieg dann Herzrasen und das Mentalkarusell dreht sich, alle meine Themen waren voll angetriggert. Wie wird das ausgehen? Was habe ich übersehen? Soll ich morgen gleich wieder heim fahren? Ich war total aufgewühlt. Was hilft da, bin ich gut als mein eigener Coach? Nein…

Ich hatte mir vorgenommen, meine Angst als Impuls für Dankbarkeit zu nehmen und es half: ich bin wieder eingeschlafen, bis, na bis Chai halt wieder getourt ist. Der Kleine ist ja die Chaoskonstante in meinem Leben.

Ich erzähl später noch was zu ihm und heute…

Bin sehr nachdenktlich und in mich gekehrt dann in die Ferienwohnung der anderen, Kaffee kochen und sinnierend in die Tasse starrend. Bis mir der Gedanke kam: ich lass mir jetzt die Laune nicht nehmen von diesem Aussenthema! Ich geb ihm nicht die Macht! Dann kam ich allmählich wieder bei mir und meinem Leben an und damit auch bei den Menschen um mich rum. Und mal ehrlich: DIE sind doch das Wichtigste überhaupt! Wir sind doch hier wegen Sich-einander-unterstützen!

Ich habe den Blog über das Ahrtal nochmal gelesen und wusste es wieder: WIR SIND FÜREINANDER da!!!! Und ob ich glücklich bin oder nicht, hängt doch nicht vom Außen ab, einzig von meinen Gedanken und Einstellungen! Und solange ich Freunde habe und helfen kann, wo es GERADE JETZT nötig ist, macht mein Leben Sinn. Es hängt nicht am Geld, am Stand, an der Anerkennung, sondern an meinem Herzen und ob ich ihm folge. Punkt.

Wir sind dann auf das Grundstück gefahren, was das Quartett kaufen wird und darauf bauen wird. Zauberhaft, sage ich Euch. Am Rande von Daruvar, voller Bäume und Blumen und eine sagen-hafte Energie zu spüren. Bei mir ist es nicht dran, auszuwandern. Aber ich will dieses Land Kroatien, in dem ich noch NIE war, fühlen und Kontakt bekommen mit Land und mit Leuten.

Beim späteren Sitzen auf dem Zentralen Platz zwischen KonZum (wer denkt sich sowas Geistloses aus?) und Erste Sparkasse (echt: da steht in deutsch erste Sparkasse..) bei Kaffee und Tee beobachte ich Menschen und Skurillitäten. Das gehört zusammen wie Deckelundtopf.

Die Stadt ist voller eigenwilliger Osterdekoration: Hasen aus Birken auf Strohballen, Ostereier, in die sich Kinder setzen können für ein Foto oder Hasen auf einer Schaukel im Kurpark…

Daruvar war mal eine sehr mondäne Stadt, man sieht es noch an den Verzierungen der Dächer und Gauben. Einige Ecken sind renoviert, andernorts tut es weh zu sehen, wie es verfällt.

Wir sind dann noch aus der Stadt gefahren, um ein Haus anzuschauen, das ROTE Haus, es stellt sich aber heraus, dass die Türen aus Spanholz sind und geheizt wird mit Holz im Keller, es riecht modrig.

Unterwegs dahin: Apfelverkauf vor gestapelten alten Reifen, alte Männer die Schafe hüten im Vorgarten oder Rasen mähen und ein junger Kroate, der in München arbeitet bei OBI und mir sagt über seine Heimat: „schönes Land aber Sch… Politik, Deutschland alles besser“. Jetzt wieder ein Glotzemoji.

Ich fahre in die Wohnung der Vier und sortiere mich durch. Gerade als ich mitten in meine Melancholie falle, kommt ein Videochatanruf aus dem Ahrtal: „Frau Doktor? Der A. Geht es nicht gut. Sie verliert die Nerven, ist immer noch bei Freunden untergebracht, sieht keinen Sinn mehr in gar nichts. Und wenn sie keine Kinder hätte, wäre sie schon suizidal. Was können wir machen?“ Man sieht sich ja selber in so einem VideoWhatsapp und ich sehe mir selbst an, wie betroffen ich bin , auch von meinem Versunkensein in meine Probleme, dabei habe ich gar keine!

„Ich will einfach wieder nach Ahrweiler, nach Hause! Es gibt fast keine Versorgung. Wann kommst du Frau Doktor denn wieder zu uns?“

Ich höre michsagen: das dauert nicht mehr lange, dann auch gern in Ahrweiler stehen mit dem Bus, zu Gesprächen bereit, übernachten kann ich in Mayschoss gegenüber der Winzergenossenschaft, auf dem schwarzen Schotter, oder egalwoihrmirsagtwoichsicherstehen kann.

Sie freuen sich und ich bin verwirrt. Am meisten über mich.

Schaue noch lange in den leeren Handybildschirm, um zu realisieren, was hier gerade passiert: Leben, dann wenn ich andere Pläne mache oder die falschen Probleme wälze.

Fazit: Immer das tun, was gerade Dich braucht und jetzt wichtig ist und nicht, was ich mir so hinhirne.

Liebe Menschen im Ahrtal: schreibt mich an! Ausser zuhören, da sein und mich mitbringen als Ärztin, kann ich nicht viel. Bin kein Handwerker. Aber ich bin verliebt in Euer Tal und in die Menschen dort.

Wie in Trance steige ich in meinen Bus, ziehe mich um von Engelbert-Strauss auf gelbe Hose: wir wollen essen gehen mit Ramona und Bernd. Es wird ein lustiger Abend, wir lachen viel und laut.

Und Chai? Hatte einen Tag zwischen Traubenhyazinthen, unterm Kaffeetisch rumnöhlen und in der Pizzeria die Nachbarn anbetteln. War immer mit der Leine verwickelt in irgendwelche Themen und Tische und immer am Schnorren. Jetzt liegt er schnarchend hinterm Fahrersitz und muss sich erholen vom Wemluchsichwasab-Stress.

Morgen fahre ich zu Ramona.

Und drückt mir die Daumen – oder stellt ne Kerze auf – dass sich mein Thema erledigt. Denke, ich habe die Lektion gelernt.