Grüntöne – grün tönen – Waldgedanken

Erstmal Sprachakrobatik zum Warmwerden, Sprachdehnen und – strecken: hellgrün, dunkelgrün, moosgrün, zartgrün, grasgrün, spinatgrün, das kennt Ihr und es löst innere Bilder und evtl auch Geschmackserinnerungen aus. Und jetzt mal spielen: spitzwegerichgrün, kleeblattgrün, jungebuchenblättergrün, bärlauchgrün.

Dann noch so Worte wie: Grünspan, grün hinter den Ohren, Grünspecht, Grünanlagen, Gründer – nein das war was anderes. 

Gerade jetzt im Frühling sind die Grüntöne so vielfältig und auch die Töne um uns herum. Ich erzähl Euch nachher noch von der Weißkopfamsel in Gleisweiler. 

Habe auf dem Parkplatz vom Johanneshof übernachtet mit Erlaubnis von Sieglinde. Gestern war ich mit Sandra und Sonja auf dem Orensfelsen bei strahlendem Sonnenschein. Das Titelbild vom Blog (vom „Wasmirsoauffiel-Tagebuch“) ist übrigens von dort oben! Wir haben viel geredet u.a über Grünzeug (!?) und den Unterschied zwischen Bärlauch und Maiglöckchen. Diesmal war es umgekehrt: dort waren nur Maiglöckchen, noch nicht ganz am Blühen. Ich hab es Euch nochmal anders fotografiert: von oben in den Blattstamm hinein, da sieht es aus wie aufgerollt, dann am Stängel mit einem beginnenden Blütenstand und mitten in Waldanemonen! Wer hätte es jetzt noch mit dem bärigen Lauch verwechselt?

Dann das Farn: es steht für Ent-Wicklung und Indiebestimmungkommen, farngrün, ich könnt allein davor stundenlang meditieren. Es ist auch EIN Wahrzeichen von Neuseeland übrigens….

Chai hat den Weg auf den Orensfels sehr gut gemeistert mit seinen 11 Jahren, sich auf der Aussichtsplattform erstmal müde ins Geländer geschmiegt, und wir waren derweil beeindruckt von der Aussicht. 

Der Blick über gefühlt die ganze Pfalz, noch ohne Windräder, ist überwältigend. Ich wieder Tränen in den Augen. Wehe, wenn hier diese Wald-, Vögel- und Sinnschredder reinkommen!!!

Heute morgen wollte das kleine Parasitentaxi (nein, er ist entwurmt und entfloht….) und sonst Krawallschächtelchen gar nicht erst aufstehen, lag müde blinzend auf seinem neuen Schafsfell. Dann sind wir von Siebeldingen nach Gleisweiler gefahren, haben aber unten geparkt bei der Bank, da ich mit ihm nicht sooo lang gehen wollte. 

Ich sehe und denke seit der Reise anders, nehme oft intensiver wahr und mit wechselndem Fokus. Aus der äusseren Reise in eine innere geworden, obwohl, stimmt so auch nicht: die beiden bemerken sich wechselseitig und werden dann zu Fotos und zu Worten. 

Bissle wie beim Kochen: erst sammeln, ernten, zubereiten, brutzeln, Gewürze dran, verfeinern, dann servieren und viel Freude haben, mit all den Gästen bzw. Lesern es zu verkosten und zu sinn-ieren. 

Ich geh jetzt mit Euch ins Hainbachtal, mit anderer Ausrichtung. Ändere auch beim Fotografieren die Tiefenschärfe. Einmal Moos auf Baumstamm im Vordergrund, helles Blattgrün im Hintergrund, dann Blattgrün scharf gestellt und Moosgrün weichgeblendet…. oder auch die alte Kopfsteinpflasterstraße (will auch noch einen Text über alte Straßen schreiben, da könntet Ihr mir gern Bilder von historischen Straßen, Römerstraßen, Kopfsteinpflaster senden mit un-gewöhn-lichen Blickrichtungen), zuerst von oben mit weiterem Winkel, dann auf den Bauch gelegt und von unten. Merkt Ihr, dass es jeweils was anderes in Euch auslöst? Bilder führen uns zu Gefühlen. 

Jetzt im frühen Jahr bei mir besonders. 

Diese Facetten an Grün!!! Und selbst bei einzelnen Blättern unterschiedliche Grüne je nach Licht und Falte! Immer wieder alt und neu nebeneinander. „Aus Grün wird im Alter braun“ hat gestern jemand gesagt im anderen Kontext, den ich jetzt Eurer Phantasie überlasse. 

Ich mache ein Bild von einem kleinen Eichenbäumchen oder zumindest einem wildentschlossen hellgrünen Stängele, was eine Eiche werden will, vorsichtig thronend über alten braunen Blättern. Woher weiß diese Ahnung von Baum, was es ist und wenn ja wie groß es werden wird?

Dann ruft mich ein abgebrochener Baum, der wohl im Wind umgefallen ist. Trotzig sprießt es aber wieder aus der vermeintlich toten Rinde raus. Seht Ihr das Bild? Botschaft für mich: aufgeben ist keine Option. Leben kommt aus allen Ritzen und Brüchen und Verletzungen. Es kann durch nichts aufgehalten werden. Nichts. Und es kommt anders, als die dachten, die gefällt, zerstört oder perfektioniert hatten. 

Perfektion ist das Gegenteil von Vollkommenheit. Die Natur ist vollkommen.

Darüber habe ich auch schon ein paar Mal nachgedacht…. 

Auf dem Weg zurück höre ich eine jazzende Drossel. Sie variiert und interpretiert ihre Umgebungsgeräusche: schimpfende Amseln, Zilpzalpe, Motorsägen oder Handytöne… was mir dabei wieder auffällt: SIE hört die Amsel anders als ich. Auch hier: Es liegt im Ohr und der Erfahrung und der INNENwelt des Betrachters und Zuhörers, was WAHRgenommen wird.

Als ich zurückkomme, koche ich mir einen Kaffee im Bus und esse den Rest vom Brot und Oliven und Bärlauchpaste. 

Da passiert noch was: es gibt hier eine Amsel mit weißem Köpfchen, die ist mir schon im Winter erstmalig aufgefallen. Sie hat ihr Revier in dem Brombeer-Flieder-Apfelbaum-Holunder-Gestrüpp, vor dem mein Bus jetzt steht. Habe heute morgen deswegen an sie gedacht, ob sie wohl noch hier ist und wie es ihr geht. 

Ich sitze auf der Bank an dem Wegekreuz und sehe sie auf dem gegenüberliegenden Acker, Würmer sucht sie. Pickt in der Grume rum, fliegt dann auf einen Weinbergpfosten und schaut mich an. Ich stehe da und „rede“ mit ihr, so innerlich. Wie es ihr geht. Sie bleibt sitzen und schaut mich schräg an. Dass ich ihre Farbe und Erscheinung schön finde. Sie dreht sich auf dem Pfahl rum und schaut mich rückwärts an. Ob sie wohl Probleme hat bei den anderen, da sie ja auffälliger ist mit ihrem weißen Köpfchen. Da fliegt sie weg in ein Gebüsch, streitet sich da kurz mit anderen Kollegen und flattert wieder in IHR Gebüsch, anschliessend hopst sie in eine Pfütze hinter meinem Carado und putzt sich dort ausgiebig.

Was ich für dumme Fragen stelle?

Mich hat schon immer das Un-gewöhn-liche fasziniert, was sich nicht gewöhnt, was nicht auf Spur ist, nicht Gaussche Normal, sondern eine Mutation, eine neue Laune, ein Neuewegegehen, Neuetönespucken, die noch nicht gesungen bzw erforscht wurden. 

Mutationen führen zu dem bisher Ungedachten und NochnichtWIRKlichen. 

DAS ist Leben. 

Das hält auch keiner auf. GOTT sei Dank!!!