Skurrilität liegt im Auge des Betrachters

Innenstadt – Innenleben – Innenwelt. 

Daruvar ist ja nicht sehr gross, man ist es schnell abgelaufen. Während eines Notartermins meiner Freunde bin ich durch die Stadt geschlendert mit dem Vorsatz, einfach nur wahr-zu-nehmen.

Was ist skurril und warum empfinde ich es so? Wie wirkt diese Sprache, an die mein Gehirn gar nichts assoziierendes dranhängen kann, auf mich? 

Ich entdecke im Kleinen Grosses, wenn ich es nicht suche, sondern wenn es einfach so ist. 

Wie z.B. die Kirche, die einfach offen steht, was Kirchen sollten: offene Arme haben für Suchende und Fragende und Leidende. Sie steht offen, schaut Euch das Foto an oben und unten: Wie wirkt das auf Euch? 

Eine Kirche, die re-noviert wird, ein Gerüst, Türen sperrangelweit offen mit Blick auf den Altar, unverstellt und keine Mahnung an „Maske – Abstand – Hygiene!“ Einfach einladend und offen. 

Ein Traktor, dessen Fahrer einen Parkschein gezogen hat, der hinter der Windschutzscheibe liegt, die einfach nur das macht, was der Name sagt: vor Wind schützen. Das Fahrerhaus ist offen. Offen. Wieder. Wer fährt mit dem Traktor in die Bäder-Stadt? Ich habe solche Bilder dreimal gesehen…

Ein humpelnder alter Mann, der die Blumenbeete pflegt vor der Kirche.

Ein Gebäude, was mit Finanzen der Stadt zu tun hat (ich kann kein Kroatisch, lest Euch das Schild an dem Haus durch), der Eingang ist mit Flatterband geschützt und eine Warnung in einer Schutzfolie: Die Fassade ist brüchig. Abstand halten. Denkt mal drüber nach….

Was würden wohl Menschen von hier bei uns skurril finden und wie würden sie es fotografieren?

Ich kreise so durch diesen Ort, schaue in Kirchen und Höfe und setze mich dann an den Zentralplatz, einfach für einen Kaffee und um die Sprache aufzunehmen, die mir so gut gefällt. Sie klingt einfach weich und warm mit ihren Zischlauten. Es wird diskutiert, begrüßt, gehupt und telefoniert. Meine Fantasie zaubert mir Ideen, worum es gehen könnte.

Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiss: eine Stunde später bin ich auch beim Anwalt. Und werde sehr überrascht sein, wie unkompliziert man hier Probleme löst. 

Erst bissle theatralisch, man sei jetzt nicht sicher, ob man mir helfen kann, dann ein paar Telefonate mit der und dem und dann ein Ausdruck, der geht dann zum Übersetzer, ich soll wieder kommen in zwei Stunden. Ich geh wieder in die Stadt, lasse mir die Brille richten, trinke noch mehr Kaffee. Dann ein Anruf von Bettina, man habe den Anwalt in der Stadt getroffen, ich könne früher kommen. Ich hin. Wieder ein Schreiben, nein nicht unterschreiben, erst zum Amtsgericht, die wissen schon Bescheid, ist das Gebäude links neben dem Brunnen mit den Flügeln vor der Kirche oben auf dem Hügel, er sagt was mit Tschische, ich würde es schon finden. Er spricht Englisch mit mir. Schickt mich weg, wieder kommen, wenn Stempel drauf. Ich ziehe los, auf der Suche nach was, was hinter dem Brunnen nach Tschische klingt, denke: Amtsgericht, muss ja eine Fahne hängen, die Kroatische, da hängen auch an zwei Gebäuden welche: an einer Bank und an einem Kindergarten (?). Alle haben Schilder aber nichts klingt nach Tschische… Emoji…. denkt Euch eins aus. 

Ich krame in meinem Rucksack nach der Visitenkarte vom Anwalt und überlege, ihn anzurufen. Nix, mein intuitives Navi ist jetzt dran. Dann finde ich eine kleines Schild, auf dem was mit Hrvatski steht, unscheinbares Gebäude, rein: ich sehe ein Regal mit Ordnern und einen kleinen Tisch mit Desinfektionsspray…Passt. Amtliche Atmo.

Der netten Frau halte ich die Visitenkarte vom Anwalt hin, sie nickt, weiss schon Bescheid. Und dann geht alles zackzack. Sie verschwindet mit meinem Perso, irgendwas druckt, ich unterschreibe es und ein Stempelknall ist zu hören, 70 Kuna und ich gehe beeindruckt wieder raus. Hinter mir eine geduldige Schlange von 4 Leuten…

Wie lange hätte das in Deutschland gedauert? Und wer wäre wegen Husten im Homeoffice gewesen oder wegen Überarbeitung auf Teneriffa?

Hier kennt der Anwalt den Bruder von der Übersetzerin, die wiederum den Schwager vom Richter und morgen geh ich nochmal hin, dann wird es höchstamtlich bestätigt und kann dann nach Deutschland gesendet werden online. Noch ein Emoji mit einer Sonnenbrille.

Hier zählt es, gut vernetzt zu sein. Man trifft sich beim Kaffee und es wird geregelt, was so geregelt gehört… erzählt mir später auch Ramona.

Sie haben mich eingeladen in ihr Refugium, ihre neue Heimat, mit vielen Tieren, Hunden, Katzen, Hühnern, Schafen, Gänsen und Hasen, Wiesen, Weide, Wald. In ihr mit viel Herz renoviertes Haus und wir sitzen noch bei Rotwein und sinnieren darüber, wie es wohl weiter geht in dieser sehr besonderen Zeit. Sind uns einig: Wir müssen unserem Herzen folgen, unseren Sinn leben und offen bleiben für das Unerwartete. 

Freiheit liegt nicht im Außen. Wir sind alle freie Menschen und es wird Zeit, dass uns das bewusst wird. Uns ALLEN. 

Lösen wir uns von Ängsten und bleiben in der Liebe zum Leben, kann gar nichts passieren. Oder besser: dann passiert Leben überhaupt erst.