Es regnete schon die dritte Nacht immer wieder. „Es wird abtrocknen bis du fährst“, sagte Bernd und mein Verstand schaute auf die Wetterapp und war zufrieden, nur mein Bauchgefühl sagte: stell Dich lieber oben an die Strasse… Och nö, da ist es so laut wegen der Kieslaster… lieber Nachtigall zuhören und ruhig schlafen.
Prima, morgens kein Regen mehr… um acht Uhr waren wir beim Stockmacher verabredet, er heisst Toni Demeter – echt jetzt: Demeter! Spricht deutsch und lebt in Sarkovic. Er schnitzt wunderschöne Stöcke in allen Farben. Meine Mutter hatte ihren daheim vergessen und ich war neugierig auf seine Werkstatt. Am Ende hatte sie einen bordeauxroten mit geschwungenem Griff und ich einen ganz klassischen Wanderstock aus Kastanienholz, einen „Opa-Stock“, so nenne ich ihn, weil er mich an meinen Opa erinnert, der genau solche Spazierstöcke hatte. Einen hatten wir Kinder ihm beim Rollschuhhockey zerstört: einfach als Schlagstock genommen und Tennisbälle damit in die Tore geschossen….. 70er Jahre eben…. nix Handy, nix Fernsehen, und die Play Station war das Tor auf der Strasse…. und jetzt hab ich es irgendwie wieder gut gemacht. Der Stock ist jetzt in meinem Bus und wartet auf seinen ersten Einsatz im Pfälzer Wald oder sonst wo…
Apropos Bus: jetzt gehts los mit Bosnien, Kroatien, Polen und Italien…
Nach dem Frühstück den Hügel runter … Bus angelassen und fröhlich losgefahren und hinter dem ersten Grasbuschel ging es schon los: die Räder drehten durch. Mein Kopf gleich in Aktion: hab ich dir nicht gesagt, du sollst hochfahren?!?!? Nein, DU nicht, das war der Bauch! Besserwisser!
Macht nix, ich ruf Bernd um Hilfe, wir legen paar Bretter drunter, dann wird das schon… Denkste! Wir haben alles gegeben: Bretter, Teppiche, Pappe, Gummimatten, Keile, Heu, Sand, 1. Gang, 2. Gang, rückwärts fahren….: nix zu machen. Ist halt kein Allrad, ist ein 3,5 Tonner mit Sommerreifen, die jetzt durch das Gras Slicks waren. Na super. Ich war immer noch guter Dinge.
Die Katze döste in der Sonne (jetzt war sie da…), die Hunde stritten sich um den besten Zuschauerplatz, meine Mutter versuchte zu helfen, Ramona auch. Nach fast zwei Stunden stand der Bus ca 2 Meter weiter als vorher.
„Wir holen den Nachbarn Bosho, woisch, der mit uns Slibo getrunken hat..“, sagte Bernd und dann kam Bosho: mit seinem Opel Corsa! Und Bernd hatte in seiner Werkstatt eine Kette gefunden, die aussah, als hätte sie früher an einem Sielscheid gedient. Also: Abschlepphaken dran, den kleinen Opel (das wird nix, dachte ich, aber Bosho sagte, er sei LKW-Fahrer und er hatte vielleicht einen Ehrgeiz..) mit der Kette verbunden und dann ging das so eine halbe Stunde, der Opel drehte auch derart durch, dass die Reifen qualmten und ich Angst bekam, die Kette könnte reißen und nichtauszudenkenwodiedannreinsaust….
„Macht die Kette weg und wir holen einen mit Traktor“ mir war echt Himmelangst..
Bosho kannte einen aus der Strasse, Daniel, ein Bosnier, der kam mit dem ältesten Traktor, den ich bisher gesehen hatte. Aber ein robustes polnisches Stück Technik kam da in den Garten gescheppert, guter alter Diesel. Und drauf ein alter Mann mit Gummischlappen und freundlichem Gesicht. Und der hatte eine KETTE. Rückwärts drangefahren, Kette ran, Gang rein, Bernd saß am Steuer von meinem Fiat-Bus, kroatische Befehle für JETZT, GANG-REIN und Ratzfatz war mein Oskar oben an der Strasse.
Ich stand da und fing an zu weinen vor Rührung. Da hab ich mich dummerweise festgefahren und alle helfen: ein Schwabe, eine Sächsin, ein Bosnier, ein Kroate, ein polnischer Traktor….,helfen einer Pfälzerin. Sie sind einfach alle so hilfsbereit, ich war total gerührt.
Als ich dann in den Wagen sprang, um den beiden alten Männern eine Flasche Riesling aus der Pfalz zu schenken, hatten die dann Tränen in den Augen, brummelten Danke auf Kroatisch und trollten sich wieder.
Menschenskinder!! Hier ist die Welt noch in Ordnung oder so.
Der Bus war verdreckt, macht nix, am Holmen waren Fingerabdrücke von Bernd, da er die Matten hergetragen hatte und die waren schmierig. Das lass ich jetzt so als Erinnerung. Und ich war naßgeschwitzt. Real Energy in die Trinkflasche und los gehts zu Adelheid nach Moscenice Draga. Silbertraining. Wer wissen will, was das ist, möge mich anschreiben. Fahrt übers Land, Schafsherden auf Dorfstraßen, kleine Örtchen mit Störchen auf Straßenlampen und Brunnen und zerzausten Häusern. Ich habe viel gesungen und war ganz versunken in das Leben und was es uns bietet, wenn wir unser Sicherheitsstreben einfach ablegen und vertrauen. Auf uns, auf Menschen und auf das Leben überhaupt.
Jetzt bin ich gespannt auf morgen.
Das haste toll gemacht, liebe Ute.
Schön, geführt zu sein, gell.
Hallo Anita, ja ich war ganz geflashed und lerne zu vertrauen statt zu kontrollieren! Schön, dass es Dich gibt in meinem Leben!!
Ja und man lernt es mit jedem Abenteuer neu!!