Ein Schelm wer selber denkt. Wer lenkt?

Strahlend blauer Himmel, Blick in die Alpen, meine Jacke habe ich schon ausgezogen auf dem Panoramaweg über Mittelberg. Dann grollt es in der Ferne Richtung Norden und kaum schaue ich suchend in den Himmel, da kommt er angedonnert, der Tiefflieger, zerreißt das Grillengezirpe und Hummelgebrummel, dreht sich um seine Längsachse und faucht Richtung Gebirge so tief über mich hinweg, dass sich meine Nackenhaare stellen. Ich stehe vor einem Weißdornbusch und Disteln und Johanniskraut und Vergissmeinnicht…. : mit keiner Drohgebärde und technischer Sonstwaswichtigtuerei könnt ihr auch nur EINE Blume erschaffen. Die Allerkleinste unter ihnen ringt mir mehr Respekt ab als alles zumal militärische Zauberwerk der Welt in Summe. Ich stehe da wie reingebolzt und schaue dem Donnervogel noch eine Weile nach. Nichts an Dir beeindruckt mich. Dafür die kleine Hummel auf der Distel um Welten mehr! Wir denken, wir wüßten was und könnten es dem Schöpfer gleich tun. Manche denken gar, sie könnten noch mehr als ER. Wetter, Gene, Wachstum, Fortpflanzung, Lebensmittel: nichts ist vor unserem Größenwahn mehr sicher. Alles meinen wir updaten und manipulieren zu müssen.

Ich setze mich auf eine Nachdenkbank und schaue ehrfürchtig in die Ferne des Allgäus. Alles um mich blüht, fliegt emsig in Blumen und Bäumen herum. Grillen zirpen, eine Drossel hat sich auf dem Baum über der Bank trällernd niedergelassen. Und ich bete, danke und staune. Habe das Gefühl, dass ER neben mir sitzt und mich fragt: „Wann kommt Ihr zurück zu mir? Ich warte auf Euch schon so lange“

Wo ist unsere Ehrfurcht hingekommen? Sie hat Spuren in der Landschaft hier hinterlassen, in Form von Wegekreuzen, Gebetsstationen oder Haussegensfiguren. Der Glaube hat unser Land mal so getragen und geprägt, dass die Menschen es hinausgetragen haben in Felder und Wälder, durch Prozessionen und als Dank. Auf meiner Fahrt vom Allgäu über die schwäbische Alb in den Schwarzwald habe ich nach 200 Wegekreuzen aufgehört zu zählen. Was hat uns so arrogant oder ignorant gemacht, dass wir meinen, ohne IHN auskommen zu können? Dass wir alles selber meinen gemacht und erdacht haben zu müssen?

In jeder Ortschaft stehen Maibäume, sichtbare Zeichen dafür, dass die fruchtbare Zeit begonnen hat, sagt man. Wer weiss noch, warum man sie aufstellt? Oben drauf oft ein Bäumchen, bunte Fähnchen, ein Kranz und am Stamm die Gewerke und Vereine des Dorfes. Viele Gärten hier haben sogar ihren eigenen aufgestellt mit Namen aus der Familie drauf und Herzen dran.

Maibäume, Wegekreuze. Haben sie was gemeinsam?

Ich war im Allgäu, weil ich eingeladen wurde, einen Vortrag über ganzheitliche Medizin zu halten, über Darmgesundheit und wassonstnochsowichtigist für uns, um gesund und vor allem unabhängig leben zu können. Viele Menschen haben ihr Grundvertrauen verloren in das, was man mal Instanzen genannt hat. Es berührt mich zutiefst, wieviele Menschen sich neu orientieren, nach neuen Wegen suchen, aber auch alte wieder neu begehen. Sowohl in Gesundheits – wie auch in Glaubensfragen.

Meine Fahrt hin und hernach wieder zurück in die Pfalz führte mich wieder durch das Dorfdeutschland, was ich so liebe. Wo Menschen sich noch kennen, zusammen auf der Gasse sitzen und Bier trinken, wo man sich grüßt und anspricht und sich weiterhilft.

Ich spüre deutlich, dass dieses Land wieder zu sich finden will, dass seine Menschen zusammenrücken und ihre Fundamente wieder freilegen. Gottseidank!