Kann man Wunder fotografieren?

..oder riechen oder schmecken oder befühlen? Darf es auch ein bisschen Wunder mehr sein? Oder lieber nur die sieben Weltwunder?

„Wann ist ein Wunder ein Wunder?“

Nebelwald bei Gomaringen, Tübingen. Gestern hergefahren für ein festliches Treffen, danach mit dem Bus am Ortsrand zwischen Obstbäumen übernachtet. Kaffee gemacht, mich durchgestreckt und mit dem Hund einen Morgennebelspaziergang gemacht.

Die Obstbäume sind schon blätterkahl, die Birken zieren sich noch mit einer gelben Blätterkrone, Buchenbäume halten nur noch vereinzelte rotbraune Blätter fest. Im Wald ist das Herabsinken der Blätter zu hören wie leiser Schnee, es raschelt und tropft. Ein Buntspecht flattert über meinen Kopf von einem Apfelbaum zum nächsten. In der Ferne höre ich Hühner gackern und ein Esel hat wohl einen unlieben Gast bemerkt und meldet das lautstark.

Ich schlendere in den nebelfeuchten Wald, wuschele durch die Haare, die danach aussehen als hätte ich in die Steckdose gelangt. Die Feuchte lässt alle Locken springen. Chai raschelt sich begeistert von Busch zu Busch, befundet es schnuppernd und gibt seine Rüdenkommentare dazu.

In dieser Herbst-Stille kommt es auch zu innerer Stille, mein Kommentarkonzert im Kopf verwabert sich und ich bin ganz fasziniert von den dezenten Geräuschen, dem Getropse und den Vogelrufen, die meine Ohren befragen.

Dem Specht schaue ich gefühlt ewig zu beim Rauflaufen am Baumstamm.

Überall im Wald und auf dem Feld sind diese erstaunlichsten aller Baumeister am Werk gewesen: kleine Spinnen, die ganze Kunstwerke zum Teil mehrstöckig zwischen Äste, über Fruchtstände und zwischen Gräser gezaubert bzw ersponnen haben. Filigran verwebt und verspannt. Je mehr ich bewusst anschaue, umso stärker wird mir klar: ich laufe durch Wunder. Sie sind um mich herum und überall. Wir brauchen nicht auf sie warten, wir brauchen sie einfach nur WAHRnehmen.

Was sind im Vergleich zu diesen Natur-und Gotteswundern unsere sogenannten Weltwunder?

Sieben davon – und ich stehe hier in Millionen von Wundern, nicht nur die Spinnweben, auch die Buntheit der Blätter, die Furchen in Rinden, die geometrischen Formen der Bäume. Reichtum und Farbenpracht unübersehbar.

Ein Baumeister von höchster Feinheit und Intelligenz.

Später fahre ich dann tief ergriffen über Land Richtung Pfalz, durch viel Nebel. Jeden Baum könnte ich anstaunen, beWUNDERn und ich habe einen Drang, alles zu fotografieren. Die Farben des Laubes, die Konturen von z.B. Karden im Nebel oder Pferde auf einer Koppel, deren Umrandung im Nebeldunst verschwindet. Die Straße nur unscharf und weich zu sehen und sie verschleiert sich in einer weißen Wand. Fahren in dieser Nebellandschaft ist ein Symbol für das Leben: wir sehen nicht genau, WIE es weitergeht, aber wir wissen, DASS es weitergeht! Warum? Weil da Schilder stehen, weil uns andere entgegenkommen, weil unser Navi das sagt…..

Tja. Wunder im Nebel. Nebel in den Wundern. Still werden und staunen und dankbar sein.

Amen.

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